aus: "DVR Report" 4/2001

Zur Sache 2

Jugend will sicher leben

Die Aktion ,,Jugend will sicher Leben" wendet sich in diesem Jahr mit einem neuen Unterrichtskonzept an die berufsbildenden Schulen.
Die neuen Unterrichtsmaterialien für Lehrer und Schüler widmen sich dem Unfallrisiko junger Menschen im Straßenverkehr.

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Fünf Lehrer sitzen im "Aquarium", um sie herum ihre Kolleginnen und Kollegen, die sie neugierig beobachten. Von den Lehrern selbst erprobt wird eine neue Unterrichtsmethode auf einem Informationsseminar der gemeinsamen Aktion "Jugend will sicher leben", entwickelt von den Landesverbänden der gewerblichen Berufsgenossenschaften, dem DVR und dem Bundesverband der Unfallkassen. "Aquarium" nennt sich diese Methode, bei der eine kleine Gruppe stellvertretend für die ganze Gruppe ein Thema erörtert. Die Lehrer erproben auf dem Seminar unterschiedliche Methoden, um später die Schüler anzuregen, miteinander zu diskutieren. Bei diesen Unterrichtsmethoden nimmt der Lehrer sich zurück und begleitet den Unterricht vorwiegend in Form einer Moderation.

Bei der "Englischen Debatte" beispielsweise wird die Klasse in zwei Diskussionsgruppen und eine Bewertungsgruppe geteilt. Zu einem kontroversen Thema, wie etwa "Fahren Frauen besser?" sucht nun die eine Schülergruppe Argumente, die andere Gegenargumente. Vertreter der beiden Arbeitsgruppen müssen dann vor allen anderen die gefundenen Argumente vortragen. In einer zweiten Runde werden die Argumente verfeinert. Zum Schluss gibt die Bewertungsgruppe ihr Urteil über die Stichhaltigkeit der Argumente ab. Die Schüler lernen so, sich intensiv mit anderen Ansichten auseinander zu setzen, nach dem Motto: "Wer eine eigene Meinung haben will, muss die Standpunkte anderer kennen."

Bislang wurden in über 40 Seminaren Schuldirektoren, Lehrer für Verkehrserziehung und besonders interessierte Lehrer der berufsbildenden Schulen mit dem Konzept "Jugend will sicher leben" vertraut gemacht. "Die Lehrer haben sich mit dem neuen Unterrichtskonzept identifizieren können", sagt Werner Culp, ein Seminarleiter. Die Lehrer auf dem Informationsseminar in Neuss sind sich einig, dass vor allem die 18- bis 19-jährigen Schüler Probleme mit dem angepassten Tempo haben. "Die befürchten sofort, dass ihre Freiheit eingeschränkt wird", sagt Michael Breden vom Berufskolleg Hattingen. Wer zugebe, langsam zu fahren, habe in der Klasse zu 99 % verloren. Doch Seminarleiter Culp empfiehlt auch beim Thema Geschwindigkeit eine der vorgeschlagenen Methoden anzuwenden, bei der sich die Schüler in die Rolle eines anderen Verkehrsteilnehmers versetzen müssen, Argumente für eine konträre Einstellung finden sollen und einen Perspektivenwechsel vornehmen.

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oben: Lehrer erproben auf dem Seminar in Neuss die neuen
Unterrichtsmethoden.
 
unten: v.l.n.r: Dr. Albert Platz, Landesschulrat Hans-Jürgen PokalI,
Dr. Dr. Hans-Jürgen Huber und Prof. Manfred Bandmann bei der
öffentlichen Präsentation des Wettbewerbs in Berlin.

"Das Auto ist gerade in der Zielgruppe der Berufsschüler ein hoch emotional besetztes Ding", betonte Dr. Albert Platz, Geschäftsführer des Landesverbandes Hessen-Mittelrhein und Thüringen der gewerblichen Berufsgenossenschaften bei der Präsentation der Aktion Ende Oktober in Berlin. Der rote Faden des Unterrichtskonzeptes sei die Frage: "Was steuert mich, wenn ich ein Auto steuere?" Hierzu werden in den Berufsschulklassen in den kommenden Monaten vielfältige Streitgespräche geführt werden, so Dr. Platz. In einem Probelauf seien vorab ein paar hundert Schüler mit der Aktion vertraut gemacht worden. Die einhellige Meinung der Schüler sei gewesen: "Ihr habt ausnahmsweise unsere Welt getroffen, das sind unsere Probleme, darüber wollen wir reden." Mit der Aktion wird den Schülern erleichtert, sich über ihre eigenen Motive und Emotionen, die sie mit dem Autofahren verbinden, bewusst zu werden.

Eine neue DVR-Jugendstudie hat gezeigt, dass die meisten der jungen Erwachsenen heute von einem Perfektionszwang beherrscht werden. Sie bemühen sich immer um ein abgeklärtes und souveränes Auftreten. Hinter dieser "Coolness" verbirgt sich aber oft Unsicherheit und Orientierungslosigkeit. Deutlich wurde in der Untersuchung auch: Die jungen Menschen haben gerade in der Zeit nach dem Führerscheinerwerb ein Bedürfnis nach Unterstützung. Die Förderung der Fahranfänger aber braucht eine bestimmte Form, damit sie von ihnen angenommen werden kann. So müssen vor allem die Lebens- und Sinnzusammenhänge der Jugendlichen mit einbezogen werden, um bei ihnen Gehör zu finden.

"Unser Unterrichtskonzept baut auf diesen Erkenntnissen auf und bietet den jungen Fahrern die Möglichkeit, in der Klasse Verhaltensalternativen zu entwickeln", betonte Prof. Manfred Bandmann, DVR-Präsident. Als einen Beitrag zur Umsetzung des neuen Verkehrssicherheitsprogramms begrüßte Dr. Dr. Hans-Jürgen Huber, Leiter der Abteilung Straßenbau und Straßenverkehr im Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen, die Aktion.

Geplant ist für den April 2002 eine Bilanzveranstaltung der Aktion, die von den Schülern selbst gestaltet werden soll. Dort werden sie Gelegenheit bekommen, ihre Sicht der Dinge mit dem Schirmherrn der Aktion, Kurt Bodewig, Bundesminister für Verkehr-, Bau- und Wohnungswesen, und der Schirmherrin, Ministerin Dr. Annette Schavan, Präsidentin der Kultusministerkonferenz, persönlich zu diskutieren. Dann werden auch die Bundessieger des Wettbewerbs geehrt.

Ein neues Unterrichtskonzept für die Berufsschulen
 

 

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